ISMPS
INSTITUT FÜR STUDIEN DER MUSIKKULTUR
DES PORTUGIESISCHEN SPRACHRAUMES
MUSIK IN GLOBALEN PROZESSEN
Angola
kulturwissenschaftlich orientierte Musikstudien &
musikwissenschaftlich geleitete Kulturstudien
Kontexte
Südwestafrika | Cabinda | Kongo | Sambia | Zentral- und Ostafrika | Atlantische Insel | Brasilien
e.V.
1968 - Brasilien
1985 - Deutschland
Vorsitz: Prof. Dr. Antonio Alexandre Bispo
Universität Köln
Angola gehört zu den Kontexten, die zu den Forschungsaufgaben des ISMPS zählen. Die Studien sind im Sinne der Zielsetzungen des Instituts zu verstehen. Sie sind Ergebnisse von Entwicklungen, die zu dessen Gründung 1985 geführt haben. Diese reichen zurück auf eine Bewegung zur Erneuerung der Kultur- und Musikstudien, die in Universitätskreisen Brasiliens in den 1960er Jahren entstand.
Nach dieser theoretischen Ausrichtung dient Angola als Referential zur Betrachtung von Prozessen innerhalb eines Netzwerkes von Beziehungen, das Angola mit anderen Gebieten Afrikas, mit Europa, mit den atlantischen Inseln und anderen Weltregionen, vor allem mit dem amerikanischen Erdteil verbindet. Dazu zählen auch Gruppen von Auswanderern bzw. Rückkehrern aus Angola zur Zeit der Unabhängigkeit des Landes sowie spätere Migranten in europäischen Ländern und anderen Teilen der Welt. Die Studien beschränken sich nicht auf portugiesisch sprechende Menschen und Gemeinden, sondern erfassen auch solche Gruppen im Ausland, die das Portugiesische nicht mehr beherrschen.
Die Aufmerksamkeit richtet sich auf die Rolle der Musik bei Kulturprozessen, die seit der Ankunft der Europäer Ende des 15. und im 16. Jahrhundert entfacht wurden. Sie betreffen Vorgänge von Kontakten in ihren Interaktionen, Wechselbeziehungen, Handelsbeziehungen, Missionierungen, Niederlassungen, Einwirkungen in Konflikten, Erziehungsmaßnahmen, Kolonisierungen sowie beim Sklavenhandel. Die Studien richten sich nicht nur historisch auf die Vergangenheit. Ein- und Auswanderungen rezenterer Zeiten sowie Wechseleinflüsse, Rezeption und Verarbeitung von Impulsen und Tendenzen durch spontane und geleitete Faktoren, u.a. durch Bildung, Erziehung, Propaganda, Werbung und mediale Vermittlungen in der Gegenwart, sowohl in Angola als auch in den Migrantengemeinden außerhalb des Landes, gehören zu den Forschungsaufgaben.
Die Studien des ISMPS, die sich auf Angola beziehen, beschränken sich somit nicht auf den Staat in seinen heutigen Grenzen. Sie sind grenzüberschreitend und betreffen globale Entwicklungen. Angola spielt eine bedeutende Rolle bei Studien der Beziehungen innerhalb Afrikas und zu den amerikanischen Ländern. Von Angola gingen Impulse aus, die die Kulturentwicklung in Brasilien und anderen Ländern Süd- und Mittelamerikas prägten. In den letzten Jahrzehnten sind zahlreicher Angolaner, vor allem europäischer Abstammung, ausgewandert oder als Rückwanderer nach Portugal gezogen. Kulturvorgänge bei diesen Migranten und ihren Nachkommen werden besonders berücksichtigt. Damit werden auch Entwicklungen in Angola selbst aus Perspektiven gesehen, die durch die Distanz bedingt sind. Integrations- und Assimilationsprozesse, Verharrung in Traditionen und Adaptationen, Kulturwandlungen u.a. Verläufe treten in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Die Bedeutung Angolas für die Kulturstudien erklärt sich durch seine geographische Lage, Geschichte, gegenwärtige Entwicklungen und Potentialitäten sowie durch seine Musik, die gegenwärtig maßgeblich zur Präsenz Angolas in einer breiten Öffentlichkeit beiträgt.
Im Südwesten Afrikas am Atlantischen Ozean gelegen, grenzt Angola an Namibia, Sambia, die Republik Kongo und die Demokratische Republik Kongo. Zu dem Land gehört Cabinda im Norden als Exklave zwischen beiden Kongo-Staaten. Beziehungen und Abgrenzungen zwischen Angola und den anderen afrikanischen Ländern veränderten sich im Verlaufe der Zeit. Die Lage Angolas am Atlantik erklärt die Bedeutung der durch Seefahrten hergestellten Beziehungen zu Europa, zu anderen Regionen Afrikas und zum amerikanischen Erdteil. Die Routen und Häfen definierten einen Raum von Beziehungen, der das europäische und afrikanische Festland sowie die atlantischen Inseln umfasst. Dieses atlantische Geflecht erweiterte sich durch die Beziehungen zum amerikanischen Erdteil über die Jahrhunderte und intensivierte sich durch den Sklavenhandel.
Eine prozessorientierte Sichtweise ist notwendig, um die Geschichte Angolas adäquat zu betrachten. Seine neuzeitliche Kulturgeschichte setzte mit der Ankunft der Europäer in dieser Region Afrikas am Ende des 15. Jahrhunderts ein. Die Kontakte setzten Interaktionen und Kulturwandlungen in Gang, die unter verschiedenen Aspekten zu den bemerkenswertesten der Entdeckungszeit zählen. Die Betrachtung geht zunächst von dem alten Kongo-Reich aus. Afrikaner wurden in Portugal empfangen, von der Feierlichkeit des Kultes und dem Glanz der Feste beeindruckt und für das Christentum gewonnen. Durch Taufe und die Bildung eines einheimischen Klerus sollte von einer Oberschichte aus ein christlich geprägter Staat geformt werden. Die Quellen verweisen darauf, dass das alte Kongo-Reich in Portugal und auch in Rom als eine Speerspitze des Christentums abendländischer Prägung auf dem afrikanischen Festland angesehen wurde. Das Wappen des Kongo-Reiches deutete auf die Übernahme der christlichen Symbolik und auf die Fortsetzung der Reconquista in Afrika hin.
Die Quellen dokumentieren aber auch, dass diese Anfänge der neuzeitlichen Geschichte durch Spannungen mit dem Ngola-Machtbereich geprägt wurden. Die portugiesische Intervention mit der Gründung von Luanda erfolgte unter anderen Vorzeichen und in einer anderen weltpolitischen und kirchlichen Situation als bei den Kontakten mit dem alten Kongo-Reich: sie war einer Eroberung. Durch interne und vor allem globale Entwicklungen wurde das alte Kongo-Reich in den folgenden Jahrhunderten geschwächt und desintegriert.
Diese komplexen Prozesse müssen im Fokus kulturwissenschaftlicher Studien stehen. Sie wirkten auch jenseits des Atlantischen Ozeans. Die Erinnerung daran bleibt in den Überlieferungen und in der Bildersprache von Traditionen, die u.a. in Brasilien weiterbestehen, lebendig. Sie verewigen das Gedächtnis des christlichen Kongo-Königs und prägen das Bild eines Menschentypus aus Ngola.
São Paulo de Luanda entwickelte sich zu einem der wichtigsten Kulturzentren des portugiesischen Kolonialreiches. Auch andere Städte von Angola wurden zu bedeutenden Orten, in denen europäisch geprägte Institutionen des Kulturlebens entstanden, aber auch tradierte Kult- und Festpraktiken gepflegt wurden. Über die Jahrhunderte war es das alte geopolitische Anliegen Portugals, durch die Verbindung von Angola mit Mozambik ein zusammenhängendes Gebiet zu schaffen, was in Folge zuwiderlaufender Machtinteressen europäischer Nationen nicht verwirklicht werden konnte. Die Entwicklungen von Angola als überseeisches Gebiet Portugals im 20. Jahrhundert in wirtschaftlicher, städtebaulicher, verkehrstechnischer, kolonialer und kultureller Hinsicht bieten noch ein weites Feld für Studien. Aus dieser Zeit entstand durch Förderung der Diamanten-Gesellschaft von Angola ein monumentales Werk zur Kultur Angolas, das für die Angola-Studien unentbehrlich bleibt.
Die 1975 erlangte Unabhängigkeit markiert die rezente Geschichte Angolas, die von komplexen politischen Veränderungen geprägt ist. Zu diesen gehörten die Beziehungen zur ehemaligen Deutsche Demokratischen Republik und anderen sozialistischen Ländern, vor allem auch zu Kuba.
In wirtschaftlicher und politischer Hinsicht wächst zunehmend die Bedeutung Angolas in der Gegenwart. Auf Grund seiner Größe, Bodenschätze und Handelsbeziehungen nimmt es eine herausragende Stellung nicht nur innerhalb Afrikas, sondern auf internationaler Ebene ein. Das Kulturleben in seinen großen Städten – allen voran Luanda – gehört zu den vitalsten Afrikas. Hochschulen, Studienzentren, Museen und Theater bezeugen die Bedeutung, die Kultur, Wissenschaft und Kunst beigemessen wird. Um die von Diversität geprägten Entwicklungen in der Gegenwart zu betrachten, sind Untersuchungen und Auseinandersetzungen mit Prozessen erforderlich, die sich über die Jahrhunderte abspielten.
Bei dieser von Interaktionen und Wandlungen bestimmten Kulturtgeschichte und -gegenwart spielt die Musik eine bedeutende Rolle. Die Rezeption und die Interaktion von Musiktendenzen anderer Länder Afrikas und der Karibik prägen das Musikleben und -schaffen. Die Wechselbeziehungen zu Brasilien bleiben allerdings vorherrschend. Musiker aus Angola wirken in Brasilien, die brasilianische Popularmusik wird in Angola gehört und Publikationen brasilianischer Literaten, Kultur- und Musikforscher werden in Angola gelesen. Die rezenten Entwicklungen sind vor allem durch die Bedeutung der angolanischen Migration in europäischen Städten geprägt.
Musiker aus Angola wirken in europäischen und amerikanischen Großstädten. Die Popularmusik Angolas wird unter dem Begriff World music von den Medien vermarkt und verbreitet. Angola empfängt, aber sendet auch Impulse aus. In einem umfassenden Netzwerk von Musikern und Musikbeziehungen erfolgen Interaktionen, werden musikalische Tendenzen, Auffassungen, Sichtweisen und Einstellungen getragen und weiter vermittelt.
Der Ausgangspunkt der kultur- und musikwissenschaftlichen Angola-Studien des ISMPS liegt in der Erforschung von überlieferten Kult- und Festformen, die in Brasilien fortleben. Zu ihnen gehören tradierte Inszenierungen von Krönungen, Hofhaltungen und Gesandtschaften, die in ihren Bezeichnungen und Darstellungsweisen auf das alte Kongo-Reich verweisen. Diese sind seit Jahrzehnten Gegenstand volkskundlicher Studien, die eine umfangreiche Literatur entstehen ließen. Diese Traditionen prägten die Beschäftigung mit Kulturprozessen im alten Kongoreich der folgenden Jahrzehnte und wurden in internationalen Tagungen unter verschiedenen Aspekten diskutiert. Zu ihnen zählten die konfliktreichen Beziehungen zwischen dem christlichen Kongoreich und Ngola, an die auch in Überlieferungen und Darstellungen in Brasilien erinnert wird. In Aufzügen, inszenierten Gesandtschaften und Handlungen wird die berühmte Königin Nginga aus Ngola erwähnt.
Eine ausdrückliche Nennung von Angola findet sich in der verbreiteten Bezeichnung des Kampfspiels Capoeira, was allerdings besondere Aufmerksamkeit bei der Deutung erfordert. Sie wird vielfach als Hinweis auf die Herkunft der Capoeira interpretiert, verweist aber auf die Angolaner bzw. auf deren Bild und mit ihm assoziierte Charakteristiken („Capoeira de Angola“ und nicht „da Angola“). Die Aktualität und weite Verbreitung der Capoeira auch als sportliche Betätigung im Verlaufe der 1960er Jahre gab Anlass zu einer verstärkten Beachtung der tradierten Praxis im Rahmen der Arbeiten der Brasilianischen Gesellschaft für Volkskunde.
Studien, die Angola betreffen, wurden auch verstärkt unter religionswissenschaftlichem Aspekt durchgeführt. Die Kultformen und -praktiken der Umbanda – und Quimbanda/Kibanda – verweisen in verschiedenen Aspekten auf Angola, beziehen sich aber auch auf andere Kulturkontexte und sind unzertrennlich mit jüdisch-christlichen Auffassungen, Mystik und Heiligenkult verbunden. Zu beachten sind die Auswirkungen mittelalterlicher Mystik in Angola seit Beginn der Christianisierung. Die Mystik war in portugiesischen Kreisen eng mit der Verehrung des hl. Antonius von Lissabon/Padua O.F.M. verbunden. Diese Bedeutung kam in der Bewegung des Antonianismus in Kongo/Angola in der krisenhafte Zeit des18. Jahrhunderts zum Ausdruck. Die Umbanda-Studien heben die Notwendigkeit hervor, Vorstellungen über den Synkretismus zu überprüfen. Der Blick sollte auf Prozesse und die systemischen Mechanismen gerichtet werden, die Beziehungen, Harmonisierungen und Aktualisierungen in verschiedenen Kontexten ermöglichen.
Die Musikkultur Angolas wurde erstmalig Gegenstand von Hochschulstudien im 1972 eingeführten Fachbereich Musikethnologie der Fakultät für Musik und Kunsterziehung des Musikinstituts São Paulo. Diese Studien erfolgten im Zeichen der konfliktreichen politischen Entwicklungen der 1960er und 1970er Jahre in Angola. 1973/74 wurde Angola bei einer ersten Tagung zu religionswissenschaftlichen Fragen unter ethnomusikologischen Aspekten in São Paulo besonders berücksichtigt. In luso-brasilianischen Konferenzen in Portugal wurde die Situation des Krieges in Angola bei einem Treffen in Beira mit den in Angola dienenden portugiesischen Soldaten und deren Familien besprochen und die Notwendigkeit der Akzeptanz neuer Realitäten und Erarbeitung adäquater Sichtweisen hervorgehoben.
1974 wurde auf Empfehlung von Besprechungen, die in Brasilien und Portugal stattfanden, eine Arbeitsgruppe in Deutschland gebildet, die ab 1975 von Köln aus wirkte. Ziel war es, durch die Quellenforschung Grundlagen der Entwicklung einer für die lusophonen Länder adäquaten Musikforschung zu erarbeiten.
Die Erhebung von und Auseinandersetzung mit den Hinweisen von kulturgeschichtlicher Bedeutung in den historischen Quellen ist für die Entwicklung einer fundierten Kultur- und Musikforschung Angolas notwendig. Sie erfordert auch Relektüren und Überprüfung von Darstellungsweisen und Deutungen von Autoren verschiedener Jahrhunderte. Bei den Arbeiten, die seit 1975 international durchgeführt wurden, wurden Texte mehrerer Autoren besprochen. Die bereits veröffentlichten Dokumente sowie die Missionsliteratur wurden in Bibliotheken verschiedener Länder sowie in Missionshäusern und in Institutionen Roms studiert.
Zu den besonders in Studien beachteten Notizen in den Quellen zählten diejenigen über den Empfang von Afrikanern in Lissabon unter Johannes II., zur ersten kongolesischen Gesandtschaft nach Portugal im Jahr 1489, zur Erziehung von Afrikanern in Portugal, zur Gestalt von Pe. Vicente dos Anjos sowie zu den „Loios“ des Elygius-Ordens, zum Empfang der Portugiesen in Soyo 1491, zu der Wirkung der Christus-Orden in Afrika, zur Gestalt von D. Afonso vom Kongo als „Verteidiger des Glaubens“, zur Entwicklung kirchlicher Strukturen in Kongo, zur Ausbildung eines Bischofs für Mbaza Kongo in Portugal, zur Teilnahme von D. Henrique aus dem Kongo am Trienter Konzil, zur Durchsetzung der tridentinischen Kirchenreform im Kongoreich, zur Musik bei der Expedition von Paulo Dias de Novais, zur ersten Mission der Jesuiten in Angola, zur Militärmusik und zur Kirchenmusik in der zweiten Expedition von Paulo Dias de Novais, zur Musik bei der ersten Begegnung mit Gesandten von Mbandi-Ngola-Kiluangi, zu Musikinstrumenten in einem Brief von P. Garcia Simões von 1575, zur Förderung des Musikunterrichts durch Paulo Dias de Novais, zu der ersten Quelle eines europäischen Musiklebens in Luanda und zur Rezeption mehrstimmiger Kompositionen in Luanda, u.a. von Cristóbal Morales und Francisco Guerrero (1578).
Bei dem internationalen Kongress zu Zentral- und Ostafrika, der 1979 in Bonn/Köln stattfand, wurde in Gesprächen mit den Vertretern Angolas festgestellt, dass es nötig sei, bei der Betrachtung aktueller Zustände und Entwicklungen in Afrika die Interaktionen und Prozesse zu berücksichtigen, die seit Jahrhunderten verlaufen.
1981 wurde in São Paulo die Reihe internationaler Symposien zu kultur- und religionswissenschaftlichen Fragen eröffnet, bei denen an erster Stelle die Erinnerung an das alte Kongo-Reich nach den Überlieferungen in Brasilien stand. Es sollte vergegenwärtigt werden, dass das alte Kongo-Reich eine außerordentliche Rolle in der Geschichte der Expansion des Christentums in Afrika in der Neuzeit spielte. Die Taufe seines Herrschers, die mit feierlicher Kirchenmusik gestaltet wurde, wurde zu einem entscheidenden Ereignis, das die Entwicklungen in den Beziehungen von Afrika zu Portugal und zu Rom bestimmte. Der König des Kongo wurde als Verteidiger des christlichen Glaubens in Afrika gepriesen. Sein Wappen brachte zum Ausdruck, dass er sich auf die Tradition von Santiago de Compostela bezog, was ihn als Führer bei der Fortsetzung des Kampfes gegen die „Feinde des Glaubens“ der Reconquista erscheinen ließ. S. Salvador vom Kongo sollte zu einem Zentrum der Ausstrahlung christlicher Kultur werden. Aus diesen Anfängen heraus lassen sich die Konflikte des sich mit dem Christentum identifizierenden Kongo-Reichs zu Ngola betrachten. Durch die Eroberung und Gründung von Luanda durch die Portugiesen setzte unter ganz anderen weltpolitischen Umständen, sei es in der Kirchengeschichte, sei es der portugiesischen Politik, eine Verlegung des Machtzentrums ein, was die weitere Geschichte Angolas bestimmte. Die Berücksichtigung dieser komplexen Prozesse ist für das Studium der Geschichte des Christentums in Angola und der heutigen Entwicklungen unerlässlich. Traditionen, die bis heute auch in Lateinamerika weiterleben, erinnern in vielfältiger Weise an diese Entwicklungen früherer Jahrhunderte.
1989 wurde Angola beim internationalen Symposium zu Christlichen Traditionen und Synkretismus in Bonn besonders berücksichtigt, an dem Afrikanisten, Volkskundler, Ethnologen und Religionswissenschaftler mitwirkten. Die Tagung stand unter der Schirmherrschaft der Brasilianischen Botschaft, wurde von ADVENIAT unterstützt und in Zusammenarbeit mit dem Institut für hymnologische und musikethnologische Studien (Maria Laach) durchgeführt. Über den Stand der Kulturforschung Angolas im Gesamtzusammenhang der lusophonen Länder Afrikas wurde vom Präsidenten der Gesellschaft afrikanische Länder portugiesischer Sprache und von Afrikanisten der Universität Köln berichtet. Der Stand der Forschung der Festtraditionen Brasiliens, die sich auf das alten Kongoreich und Angola beziehen, wurde von Vertretern der Kommission für Volkskunde des Staates São Paulo sowie des Zentrums für Folklore-Forschung der Universität São Paulo behandelt. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen Ergebnisse rezenter Feldforschung im Bundesstaat Espírito Santo. Mehrere Sitzungen wurden dem Stand und den Problemen der Erforschung der Umbanda und verwandter Kulttraditionen gewidmet.
Über Jahrzehnte wurden die Studien der lusophonen Länder von Auffassungen des autoritären „Estado Novo“ geprägt. Seit der Unabhängigkeit intensivierten sich die Beziehungen zum sozialistischen Osteuropa. Der Fall der Berliner Mauer hatte Konsequenzen für die Kulturstudien von Ländern, die bis dahin enge Beziehungen zur Deutschen Demokratischen Republik unterhalten hatten. Diese Änderungen politischer Verhältnisse wurden in Debatten, die das ISMPS in Zusammenarbeit mit deutschen, portugiesischen und brasilianischen Institutionen durchführte, berücksichtigt. Die Deutsche Gesellschaft für die afrikanischen Länder portugiesischer Sprache organisierte an der Universität Köln eine Tagung, an der Experten mitwirkten, die bis dahin Studienzentren Ostdeutschlands verbunden waren.
Beim internationalen musikwissenschaftlichen Kongress in Rio de Janeiro zum Anlass des Gedenkens an 500 Jahre der Entdeckung Amerikas wurde die Notwendigkeit hervorgehoben, bei der Grundlagenforschung von Kulturprozessen in Brasilien die Entwicklungen in Afrika mit zu berücksichtigen. Die Prozesse, die durch die Ankunft der Portugiesen in Afrika entfacht wurden, setzten zeitlich vor denjenigen in Brasilien ein und verliefen in engen Interaktionen mit den Entwicklungen in Brasilien. Die kirchlichen Jurisdiktionen und die Netzwerke der Missionare spielten dabei eine bedeutende Rolle.
Bei der Vorlesungsreihe Musik in der Begegnung der Kulturen an der Universität Köln wurde mit Unterstützung des ISMPS zwischen 1998 und 2001 die Bedeutung Angolas im Rahmen einer Musikgeschichte in globalen Zusammenhängen von der Entdeckungszeit bis in die Gegenwart besprochen. Neben den älteren historischen Quellen wurden Reiseberichte und sonstige Dokumente rezenterer Zeiten herangezogen. Dazu zählten Informationen in von der Forschung wenig beachteten Texten in Illustrierten und Zeitungen, wie z.B. zu europäischen Arbeitern und Kolonisten zur Zeit des Eisenbahnbaus in Angola im 20. Jahrhundert
Die Kultur- und Musikstudien im Rahmen des ISMPS, die Angola fokussieren, wurden von ihren Anfängen an von der Untersuchung tradierter Spiele und Festpraktiken in ihren Bezügen zu religiösen Auffassungen und zum Jahreskreis maßgeblich bestimmt. Sie sind unter dem Aspekt einer Ludologie in globalen Zusammenhängen zu betrachten. Zur Besprechung des Standes der Forschung und der Tendenzen der ludologischen Forschung im Allgemeinen wurde 2001 ein Seminar an der Universität Köln in Zusammenarbeit mit dem ISMPS durchgeführt. Traditionen in Lateinamerika, die sich auf das alte Kongo-Reich und Angola beziehen, wurden unter diesem theoretischen Ansatz besprochen. Im Mittelpunkt standen die Congos und Congadas sowie die Capoeira de Angola in Brasilien. Die Verbreitung der Capoeira in Europa und in anderen Weltteilen wurde besonders berücksichtigt. Zentren bzw. Akademien wurden in ihrem Selbstverständnis und ihren Praktiken erhoben und in ihren Kontexten untersucht.
Religionsfragen nehmen bei Kulturstudien, die sich auf Angola beziehen, seit deren Anfängen eine gewichtige Stellung ein. In der Entwicklung der Forschung spielte die volkskundliche Untersuchung von Traditionen des kirchlichen Jahreskreises eine wichtige Rolle. Die Quellenforschung stützt sich notwendigerweise auf Texte, die die Perspektive der christlichen Europäer bzw. der Missionare widerspiegeln. Bei der Zusammenarbeit und bei Tagungen wurden vor allem die aktuellen Tendenzen in kirchlichen Kreisen berücksichtigt. Dabei wurden theologische, missionarische bzw. pastorale Fragen aufgeworfen und erörtert. Eine Umorientierung der Aufmerksamkeit durch einen konfessionsfreien religionswissenschaftlichen Ansatz stellte sich als eine Notwendigkeit dar. 2002 wurde hierfür ein Seminar zum Thema Musik und Religion an der Universität Bonn in Zusammenarbeit mit dem ISMPS abgehalten. In ihm wurden Kult- und Festtraditionen, die sich auf Angola beziehen, aus religionswissenschaftlicher Perspektive behandelt. Mit dieser Orientierung wurden der Stand der Umbanda-Forschung in Brasilien besprochen und die Ausbreitung entsprechender Kultformen in Migrantengemeinden in Europa und Nordamerika berücksichtigt.
Beim Oberseminar zu World music und Globalisierung an der Universität Bonn 2003 in Zusammenarbeit mit dem ISMPS stand Angola vielfach im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Der Blick richtete sich auf die Musikproduktion von Migranten aus Angola in europäischen Musikzentren, vor allem in Lissabon und Paris. Die Studien konzentrierten sich auf Rezeption und Interaktionen unterschiedlicher Musikstile und -praktiken in der Popularmusik Angolas. Der Einfluss des kongolesischen Jazz in Musikentwicklungen urbaner Kontexte, die von der Diversität traditioneller Kulturen geprägt sind, wurde thematisiert. Besprochen wurden ausgehend von Coisas da Vida (1981) die Interaktionen von Semba und Jazz. Dabei wurden Parallelen und Beziehungen zwischen Brasilien und Angola in den 1970er Jahren beachtet. Die Aufwertung der Gitarre in Brasilien und Angola gehört zu diesen Parallelen, wobei als besonders wichtige Gestalten Carlito Vieira Dias, Duia und Teta Lando erscheinen. Die internationalen Einflüsse im Musikschaffen junger Musiker wurden anhand der Gestalt von Galiano Neto diskutiert. Die Verwendung neuer Musikinstrumente und Techniken bei den Wandlungen des Semba wurde an Beispielen besprochen.
Beim Oberseminar zu den Cultural Studies am Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Bonn wurde die Möglichkeit erörtert, deren Ansätze bei der Analyse gegenwärtiger Tendenzen in der Popularmusik Angolas anzuwenden. Bei der Besprechung der Festivais da Canção wurden Impulse zur Erneuerung der Trova unter Verwendung von regionalen Elementen erörtert. Im Fokus der Besprechungen stand die Popularität von Sembafrica und Semba Tropical. Dabei wurden Parallelen und Interaktionen zwischen Brasilien und Angola in den 1970er und 1980er Jahren aufgezeigt. Die Aufwertung der Gitarre in Brasilien und Angola gehört zu diesen Parallelen. Gestalten wie Carlito Vieira Dias, Duia und Teta Lando wurden anhand von Beispielen vorgestellt. Neben Brasilien nimmt Kuba in den Studien der Popularmusik Angolas eine herausragende Stellung ein, was vor allem durch die politischen Beziehungen in den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit zu erklären ist. Die Tanzrhythmen der Karibik u.a. bei Afro Sound Star und SOS oder die karibischen Elemente in der Musik von Ana Maria Branco (Nani) und die angolanische Rumba wurden in Beispielen berücksichtigt. Bei diesen Beziehungen wurde auch die Präsenz von Angola in Kuba beachtet, u.a. bei der Rolle der Musik zur sozialen Mobilisierung eines Dom Caetano in Havanna. Zu den Themen von Referaten zählten u.a. die CD Preta Luz, der Lebensweg und die Musikproduktion von Filipe Mukenga, die Show Canto Livre de Angola sowie Kompositionen von Paulo Flores oder Waldemar Bastos.
Die bedeutende Rolle, die die Musik Angolas im Rahmen der lusophonen Länder Afrikas spielt, wurde in mehreren Sitzungen eines Hauptseminars der Universität Köln in Zusammenarbeit mit dem ISMPS 2004 besprochen. Die verschiedenen Tendenzen des Denkens und Schaffens von Luso-Angolanern in Portugal nach der Unabhängigkeit des Landes sowie von rezenten Migranten in Lissabon und Paris wurden erörtert.
Ansätze des Postcolonialism wurden in einem Seminar an der Universität Köln in Zusammenarbeit mit dem ISMPS 2006 bei der Betrachtung von Kulturprozessen in Angola erprobt. Diese gingen vom Lebensweg und Schaffen von Alberto Teta Lando (1948-2008) aus S. Salvador do Congo (Mbanza Congo) aus. Die LP Independência (1974) stand zu Beginn der Betrachtungen.
Die musikästhetischen Fragen, die sich aus der Musikproduktion von Angolanern in Europa ergeben, wurden im Rahmen eines Seminars der Universität Köln in Zusammenarbeit mit dem ISMPS 2006 diskutiert. Der Einfluss auf die Musikentwicklung von musikalisch ausgebildeten Arrangeuren in der Popularmusik Angolas wurde im Vergleich zu Brasilien betrachtet. Die Musikproduktion von Eduardo Paim und dessen Popularität wurden an Beispielen besprochen, u.a. Caminho do Mato, Luanda, Mina Banda.
Afrikanische Länder wie Angola sind in ihrer Geschichte von der Überführung von Menschen über die Ozeane während des Sklavenhandels geprägt. Eine solche Verfrachtung darf nicht mit denselben Kriterien wie andere Aus- und Einwanderungen betrachtet werden. Zu unterscheiden ist sie von der durch die Umstände erzwungene Auswanderung von Menschen auf der Suche nach besseren Lebenschancen oder aus politischen Gründen, wie die der Rückkehrer nach Portugal von Angolanern portugiesischer Abstammung zur Zeit der Unabhängigkeit.
Eine besondere Aufmerksamkeit der Musikforschung Angolas wurde im Zeitalter der Medien und der Globalisierung der internationale Projektion der angolanischen Musikproduktion gewidmet. Berücksichtigt wurde dabei auch die politische Dimension von Initiativen und Kulturprogrammen, wie Facho (Forças Armadas, FAPLA) oder 1° de Maio der UNITA, sowie die Aufwertung unterrepräsentierter Regionen und marginalisierter Gruppen, wie bei der Grupo Horizontes da Lunda Sul für die Kultur Tschokwé. Die Revitalisierung von Überlieferungen und Traditionen als politische Aufgabe wurde am Beispiel des Sepa Liami als Lobgesang der Freundschaft/Solidarität besprochen. Unter dem Aspekt der Kulturpolitik wurden die offiziellen Förderungsprogramme von Kultursekretariaten, Militärorganisationen und der Zentralgewerkschaft berücksichtig, aber vor allem die Bedeutung der Festivals und Shows für die Verbreitung neuer Tendenzen am Beispiel von u.a. Bom Fim de Semana und Pé no Palco.
(Auswahl)
Esclarecimento como escopo da ciência e concepções de luz no condicionamento cultural
A imagem do deserto na tradição eremita agostiniana em processos culturais na América hispânica
A feitiçaria combatida pela Inquisição em Cartagena de Indias
Do algodão e tabaco e à cana de açucar - St. Kitts
Mémorial ACTe em Guadeloupe e Brasil
Jamaica, Europa e Brasil nos estudos musicológicos
Estudos creolos pós-coloniais do Índico e do pós-Apartheid sul-africano
O Brasil no VII Congresso Internacional de Música Sacra em Bonn
La mise en valeur des Colonies Portugaises de Elemér Böhm
O "problema colonial" e a Liga das Nações
Reconstrução colonial portuguesa e revisionismo colonial alemão
Política colonial sob perspectiva do desenvolvimento dos transportes aéreos
Análises alemãs da economia nas colonias portuguesas nos anos 30
Imagens alemãs de Angola : Luanda, Lobito, Amboim, Katenga, Canda
Colonos alemães e "Deutschtum" em Angola
Buren em Angola, tradições européias e mudanças culturais a última máscara dos Kaluimbi
Situações multiculturais em ferrovias angolanas - uma família austríaco-brasileira
Triangulações mercantís e cultura, comércio de escravos e discurso de liberdade
Formação de identidades na África lusófona e estudos culturais nas relações Angola/Moçambique/Brasil